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07211 Energieleistungskennzahlen mit energetisch gewichteten Stückzahlen

Der folgende Beitrag zeigt, wie durch die Bildung von Energieleistungskennzahlen mit energetisch gewichteten Stückzahlen die Energieeffizienz in Gebäuden mit unterschiedlichen Produktionswertströmen dargestellt werden kann. Die so gebildeten Kennzahlen lassen sich den direkt Verantwortlichen zuordnen, die den Status online verfolgen und bei Abweichungen entsprechend reagieren können. Ein Bericht aus der Praxis.
von:

1 Einleitung

Energieleistungskennzahlen EnPIs spielen eine wesentliche Rolle in der Darstellung der Energieeffizienzentwicklung. Sie dienen als Werkzeuge, die Energieeffizienz in einem Betrieb zu erfassen, zu überwachen und zu bewerten. Der vorliegende Beitrag möchte einen bestimmten Kennzahlentypus aus der Kennzahlenkaskade des Bosch Standorts in Blaichach, einem Industriebetrieb mit ca. 100 GWh Jahresenergiebedarf, vorstellen.

1.1 Kennzahlenkaskade

Das folgende Energiestromschema in Abbildung 1 zeigt zum einen die wesentlichen Energieströme und zum anderen die entsprechenden Energiekennzahlen, wie sie derzeit am Standort verwendet werden. Folgt man in der Grafik den Energieflüssen von rechts nach links, bewegt man sich vom „Groben” zum „Feinen” oder anders gesagt von der Werkeinspeisung über die Gebäude bis zur einzelnen Maschine. An den verschiedenen Übergabestellen sind die wesentlichen Kennzahlen dargestellt, die gemeinsam die Kennzahlenkaskade bilden.
Abb. 1: Schematische Darstellung der Energieströme und Kennzahlenkaskade
Kennzahl CO2-relativ
Die führende Kennzahl für das Werk (und auch für die Robert Bosch GmbH) ist die relative Kennzahl CO2-relativ. Sie wird gebildet, indem die Energieverbräuche des Werks in entsprechende CO2-Äquivalente umgerechnet und zur finanziellen Größe „EL = Eigenleistung” (vergleichbar mit Wertschöpfung) ins Verhältnis gesetzt werden. Für die Verfolgung der Energieeffizienzentwicklung des Werks ist diese Kennzahl passend, aber für die untergeordneten Ebenen in der Kaskade wie Gebäude oder Maschine ist diese Kennzahl zu abstrakt. Sie wird deswegen in absolute und relative Kennzahlen überführt, die mit Energieverbräuchen in kWh und Stückzahlen gebildet werden.
Vorgaben für Kennzahlenbildung
Bei der Bildung der Kennzahlen waren mehrere Aspekte von Bedeutung. Die Kennzahlen sollten „einfache” und dadurch nachvollziehbare Kennzahlen sein, sie sollten möglichst automatisch auf Basis vorhandener Daten gebildet werden können, und sie sollten eindeutig einem Verantwortlichen zugeordnet werden können.
Verantwortliche aus oberem Management
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben war es sinnvoll, die Bilanzgrenze „Gebäude” zu bilden. Die Voraussetzungen dafür waren sehr gut: Energieverbrauchsdaten auf Gebäudeebene werden automatisch erfasst, die Aufschlüsselung der Gebäudeverbräuche für Maschinen, Beleuchtung, Lüftung und Druckluft ist vorhanden. Der entscheidende Faktor aber war, dass für jedes Gebäude verantwortliche Personen aus dem oberen Management definiert werden konnten, deren Aufgabe es ist, die Energieeffizienz zu verfolgen und zu verbessern.
Im ersten Ansatz wurden absolute Gebäudeverbräuche aufgeschlüsselt nach Maschinen, Beleuchtung, Lüftung und Druckluft als Kennzahlen eingeführt. Die Einführung und die Praxiserfahrung haben aber gezeigt, dass absolute Kennzahlen ihre Schwachstellen in der Verwendung haben können.

1.2 Grenzen von absoluten Kennzahlen

In komplexen Produktionsbereichen (Bilanzgrenze Fertigungsgebäude) ist die Prognose der absoluten Energiebedarfe der Produktion schwierig, vor allem aufgrund von ständigen Änderungen der Produktionswertströme.
Die folgenden Energieverbrauchsdiagramme machen diese Volatilität transparent (s. Abb. 2). Sie zeigen die Verbrauchsentwicklung von zwei Fertigungsgebäuden im gleichen Jahr. Die roten Säulen repräsentieren den Energieverbrauch der Maschinen, magenta den Verbrauch der Kühlschmierstoffanlagen, blau zeigt den Lüftungsverbrauch, hellblau den Druckluftverbrauch und gelb den Energiebedarf der Beleuchtung (von unten nach oben).
Abb. 2: Energieverbräuche von zwei Fertigungsgebäuden pro Jahr – tägliche Auflösung
Die Fertigungslandschaften sind heterogen und unterliegen starken Änderungen in den Wertströmen.
Absoluter Energieverbrauch nicht aussagekräftig
In den beiden Gebäuden wurden während des betrachteten Jahres zahlreiche Produktionsanlagen aufgebaut, verlagert oder ausgeschieden. Die absoluten Verbräuche haben sich während dieses Jahres um fast 70 % reduziert bzw. um 50 % erhöht. Hat sich die energiebezogene Leistung dadurch verbessert oder verschlechtert? Das lässt sich bei Betrachtung der absoluten Energieverbräuche auf Gebäudeebene kaum feststellen. Um das bewerten zu können, müsste man die absoluten Produktionsverbräuche ständig nachführen. Das ist nicht praxistauglich.

2 Einführung von relativen Gebäudekennzahlen

Nachdem die Nutzung von Energieverbräuchen auf Gebäudeebene zur Verfolgung oder Prognose nicht zielführend war, wurde die Einführung einer relativen Kennzahl in Anlehnung an die Werkkennzahl „CO2-relativ” in Betracht gezogen. Die Werkkennzahl, die auf der kaufmännischen Basis „Eigenleistung” (vergleichbar mit Wertschöpfung) beruht, sollte dabei auf die Gebäude heruntergebrochen werden.
Vor- und Nachteile
Zahlreiche Untersuchungen und Bewertungen sind durchgeführt worden. Schlussendlich ist die Einführung dieser Kennzahl daran gescheitert, dass die kaufmännische Größe aufgrund der heterogenen Landschaft von Endkostenstellen in einem Gebäude nicht ohne immensen Aufwand konsolidiert werden kann. Diese Lösung hätte den Charme der Durchgängigkeit gehabt, dass auf Gebäudeebene mit der gleichen Kennzahlbasis gearbeitet wird wie auf Werkebene.

2.1 Relative Kennzahlen auf Stückzahlbasis

Anhand des folgenden Schemas in Abbildung 3 werden die grundsätzlichen Begrifflichkeiten und Zusammenhänge erläutert, die im Folgenden immer wieder verwendet werden. Das Schema zeigt exemplarisch drei Wertströme innerhalb eines Gebäudes, das die Bilanzgrenze für die folgende Vorgehensweise bildet.
Abb. 3: Schematische Darstellung von 3-Teil-Wertströmen innerhalb eines Fertigungsgebäudes
Bei den Fertigungsmaschinen, deren Daten (Energieverbräuche und Stückzahlen) verwendet werden, handelt es sich um Spritzgießmaschinen, die mit SGM abgekürzt werden und durchnummeriert sind.
Zuordnung einzelner Maschinen zu Gruppen oder Linien
Einzelne Spritzgießmaschinen werden daten- und energietechnisch sogenannten Maschinengruppen bzw. Linien zugeordnet. Das ist sinnvoll, um beispielsweise die Energieeffizienz einer einzelnen Maschine mit der zugehörigen Gruppeneffizienz oder gleichartige Gruppen untereinander vergleichen zu können. Teilweise haben Linien auch zentrale Energieeinspeisungen einschließlich einer Energiemessung (Linienmessung). Damit kann die Summe der Einzelverbräuche mit der Linienmessung verglichen werden, um beispielsweise die Messergebnisse zu plausibilisieren.
Energetische Wertigkeit
Die mit diesen SGM hergestellten Produkte werden mit MLV5, VK, EVO, GWS, MLV6 und GP bezeichnet. Es handelt sich dabei um Erzeugnisse für Benzineinspritzsysteme, auf deren Funktion, Beschaffenheit und Aussehen aus Know-how-Schutzgründen nicht näher eingegangen wird. Eine wichtige Größe, die im Folgenden immer wieder verwendet wird, ist die energetische Wertigkeit, die mit EW abgekürzt ist.
Eine Methode, eine Maschinengruppe mithilfe einer Kennzahl zu beschreiben, ist, den Energieverbrauch dieser Maschinengruppe auf die insgesamt produzierte Stückzahl zu beziehen. Als Praxisbeispiel werden vier Spritzgießmaschinen zwei Linien zugeordnet, die das Erzeugnis MLV5 herstellen (s. Schema in Abb. 3). Die Maschinengruppe der Linie 1 besteht aus den Anlagen SGM1 und SGM8, die Maschinengruppe der Linie 2 aus SGM3 und SGM5. In folgendem Diagramm in Abbildung 4 sind jeweils die zwei Anlagen pro Linie sowie die Effizienzen der gesamten Linien (≙ Maschinengruppen) dargestellt.
Abb. 4: Energieeffizienz der Maschinengruppen SGM Linie 1 & 2 als Tageswerte
Auswertung der Grafik in Abbildung 4
In der Grafik sind Ausreißer nach oben auffällig. Sie hängen mit den produktionsfreien, armen Tagen zusammen. Hier schlägt die Grundlast überproportional durch.
Des Weiteren ist ersichtlich, dass die vier dargestellten Einzelmaschinen unterschiedlich effizient produzieren. Durch die Zusammenfassung der Einzelanlagen zu einer Maschinengruppe werden die Ausreißer im Verlauf der Einzelanlage abgeschwächt und die Effizienzen nähern sich einem Niveau an.

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