-- WEBONDISK OK --

04006 Wasserstoff

Wasserstoff gilt als Hoffnungsträger für eine emissionsarme, im besten Fall sogar emissionsneutrale Energiezukunft. Prinzipiell eignen sich Wasserstoff und Wasserstoffderivate als Substitut für die meisten der heute eingesetzten Brenn- und Kraftstoffe. Neben dieser energetischen Nutzung existiert ein zweiter Nutzungspfad: Durch den stofflichen Einsatz von Wasserstoff lassen sich emissionsintensive Prozesse in der Grundstoffindustrie dekarbonisieren.
von:

1 Einleitung

1.1 Energetische Nutzung von Wasserstoff

Keine CO2-Emissionen
Anders als beim Einsatz von fossilen Energieträgern wie Kohlen (Steinkohle, Braunkohle) oder Kohlenwasserstoffen (Erdöl, Erdgas) entsteht beim Einsatz von Wasserstoff als Energieträger kein für den Treibhauseffekt verantwortliches Kohlenstoffdioxid (CO2), sondern lediglich Wasserdampf (H2O).
Substitut für fossile Brennstoffe
Wasserstoff kann sowohl als Brennstoff in Motoren und Heizungsbrennern zum Einsatz kommen als auch in chemischen Brennstoffzellen und ohne bewegte Teile direkt in Strom und Wärme umgesetzt werden. Die Arbeitsweise der Brennstoffzelle ist damit spiegelbildlich zur Elektrolyse, bei der durch den Einsatz von Strom Wasser (H2O) in seine Bestandteile Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2) zerlegt wird. Anders als bei der Verbrennung entsteht beim Betrieb der Brennstoffzelle ausschließlich Wasser bzw. Wasserdampf als Abgas.
Universelle Verwendbarkeit
Entsprechend groß ist die Publizität des Themas Wasserstoff, insbesondere in jenen Verbrauchssektoren, die bislang nur geringe Emissionseinsparungen aufweisen. Namentlich handelt es sich dabei um die Bereiche Wärme/Kälte (insbesondere Hochtemperaturwärme und Gebäudewärme) sowie Mobilität, in denen bislang der Einsatz fossiler Brennstoffe dominiert (Wärme/Kälte ca. 80 %, Mobilität: > 90 %) [1].
Emissionsfaktor
Bei der Stromproduktion fließt der Kraftwerkswirkungsgrad in die Kalkulation mit ein, sodass bezogen auf 1 kWhel ein zwei- bis dreifach höherer Emissionsfaktor als bei der reinen Verbrennung zustande kommt (vgl. Tab. 1).
Tabelle 1: Emissionsfaktoren von Brennstoffen bezogen auf den Heizwert [2]
Brennstoff
 
Emissionsfaktor
Erdgas
0,20 kg CO2/kWhth
Heizöl
0,27 kg CO2/kWhth
Steinkohle
0,34 kg CO2/kWhth
Braunkohle
0,38 kg CO2/kWhth (Mittelwert)
Wasserdampf
Als dreiatomiges Gas besitzt auch Wasserdampf ein Treibhausgaspotenzial. Die weitaus größten Mengen des atmosphärischen Wasserdampfs sind jedoch natürlichen Ursprungs. Zudem liegt die Verweildauer von Wasserdampf in der Atmosphäre im Bereich von Tagen (Verdunstung, Wolkenbildung, Regen). Anders als bei Treibhausgasen mit einer Verweildauer von Jahrhunderten, teilweise auch Jahrtausenden ist die Treibhauswirkung von anthropogenem Wasserdampf daher äußerst begrenzt.

1.2 Stoffliche Nutzung von Wasserstoff

Einen signifikanten Beitrag zur Dekarbonisierung kann der stoffliche Einsatz von Wasserstoff in Grundstoffindustrien leisten:
Direktreduktion
Im Hochofen wird Eisenerz durch Zugabe von Koks zu Roheisen reduziert. Eisenoxid und Kohlenstoff werden dabei zu Eisen und Kohlenstoffdioxid umgewandelt. Die Treibhausgasemissionen belaufen sich bei dieser Prozessroute auf 1,5t CO2/t Roheisen. Wird anstelle von Koks Wasserstoff als Reduktionsmittel eingesetzt (Direktreduktion), wird anstelle von Kohlenstoffdioxid Wasserdampf freigesetzt. Als Produkt der Direktreduktion entsteht Eisenschwamm zur weiteren Verarbeitung zu Stahl.
Ammoniaksynthese
Ammoniak ist eine der wichtigsten Basischemikalien, von der im globalen Maßstab jährlich rund 140 Millionen Tonnen hergestellt werden [3]. Ausgangsstoffe für die Ammoniaksynthese sind (Luft-)Stickstoff und Wasserstoff. Gängige Prozessrouten für die großtechnische Wasserstoffherstellung aus Erdgas (Dampfreformierung) sowie den Reststoffen der Erdöldestillation oder Kohle (partielle Oxidation) führen zu Treibhausemissionen von 10,5–17t CO2/t H2 [4]. Bezogen auf das Endprodukt Ammoniak (NH3) entspricht dies 1,6–3,4t CO2/t NH3 [3].

1.3 Eigenschaften von Wasserstoff

Bei der Substitution von fossilen Brennstoffen durch Wasserstoff sind die besonderen stofflichen Eigenschaften von Wasserstoff (vgl. Tab. 2) zu berücksichtigen. In der Praxis führt das zu einer Reihe von technischen Anforderungen und Änderungen.
Tabelle 2: Vergleich von Wasserstoff und Erdgas [5], [6], [7], [8]
Brennstoff
 
Wasserstoff
 
Erdgas
Energiedichte
2,99 kWh/m³
8,6–11,4 kWh/m³
Dichte
0,089 kg/m³
0,70–0,84 kg/m³
Zündbereich
4–77 %
4–17 %
Zündtemperatur
560 °C
575–640 °C
Zündenergie
0,016 mJ
0,28 mJ
Flammgeschwindigkeit
346 cm/s
43 cm/s
Energiedichte
Die gegenüber Erdgas um den Faktor 3 bis 4 geringere Energiedichte bedingt einen entsprechend höheren Volumenstrom an Wasserstoff, um dieselbe Energiemenge zu transportieren und in einem Brenner oder einer Verbrennungskraftmaschine zu nutzen. Entsprechend müssen beim Einsatz von Wasserstoff beispielsweise Düsen und Ventile angepasst werden. In Pipelines und Rohrsystemen erlaubt der Betrieb mit Wasserstoff je nach Druckstufe 2,8- bis 3,2-fach höhere Strömungsgeschwindigkeiten, sodass die geringere Energiedichte nahezu kompensiert wird [9].
Volumenbezogene Dichte
Die gegenüber Luft (1,225 kg/m³) um den Faktor 14 geringere Dichte führt bei Leckagen in geschlossenen Räumen zu einem Ansammeln von Wasserstoff an den jeweils höchsten Punkten unter einer Decke oder dem Dach. Dadurch können gefährliche Konzentrationen entstehen. Im Freien entweicht Wasserstoff aufgrund der geringen Dichte schnell in die Atmosphäre. Dadurch wird ein Verdünnungseffekt erreicht, der dem Bilden von zündfähigen Konzentrationen entgegenwirkt.
Flammgeschwindigkeit
Die hohe Flammgeschwindigkeit führt im Brandfall zum schnellen Ausbreiten von Bränden. Dabei ist auch der große Konzentrationsbereich zu berücksichtigen, in dem ein Zünden erfolgen kann. Auch beim Design der Brennkammer in Verbrennungsmaschinen ist eine Anpassung an die hohe Flammgeschwindigkeit erforderlich.
Zündbereich
Der weite Mischungsbereich von Wasserstoff in Luft und die nur geringe erforderliche Zündenergie stellen im Fall von Leckagen, Havarien oder auch externen Schadensereignissen ein erhöhtes Risiko dar. Dementsprechend sind Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die das Entstehen von zündfähigen Gemischen und den Kontakt mit Zündquellen vermeiden sowie bei Eintritt eines Schadensfalls die Auswirkungen und die Ausbreitung von Bränden und Explosionen begrenzen.
Risiko von Materialversprödung
Die chemischen Eigenschaften von Wasserstoff können bei Kontakt mit Metallen und Stählen zu Versprödungen führen. Hochlegierte Stähle sind weniger oder nicht betroffen. Während sich weite Teile des Gasnetzes auf der Transport- und Verteilebene auch für den Betrieb mit Wasserstoff eignen, sind Verdichter und Gasdruckregelanlagen an die höhere Durchflussrate anzupassen.

1.4 Auch grüner Wasserstoff ist nicht emissionsfrei

Produktions- und Transportprozess entscheidend
Ob der energetische Einsatz von Wasserstoff als emissionsarm gelten kann, wird nicht am Ort der Wasserstoffnutzung, sondern durch den Herstellungs- und Transportprozess entschieden. Eine neue Studie aus Juni 2024 [4] bewertet die Lebenszyklustreibhausgasemissionen für 1.025 geplante grüne Wasserstoffanlagen, die verschiedene Elektrolyseurtechnologien und erneuerbare Stromquellen in 72 Ländern umfassen. Die beste Konfiguration zeigt mittlere Produktionsemissionen von 2,9 kg CO2e/kg H2. Wenn man einen 1.000 km langen Transport per Pipeline oder per Schiff mit flüssigem Wasserstoff einbezieht, kommen weitere 1,5 bzw. 1,8 kg CO2e/kg H2 hinzu.
Energie- und prozessbedingte Emissionen
Produktionsbedingte Emissionen können sowohl energiebedingt aus der Strom- und Wärmeversorgung der Anlagen zur Wasserstoffproduktion resultieren als auch prozessbedingt aus einer stofflichen Umwandlung von Kohlenwasserstoffen entstehen.
CCS und CCU
Eine zumindest theoretische Lösung diese Emissionen zu minimieren, besteht im Abtrennen von Kohlenstoffdioxid aus Abgasen und Prozessgasen.
CO2-Abtrennung und Speicherung (carbon capture and sequestration, CCS).
CO2-Abtrennung und Nutzung (carbon capture and utilization, CCU).
Zusätzlicher Aufwand
Dies ist jedoch mit zusätzlichen investiven und betrieblichen Aufwänden, insbesondere Energiebedarf und Einsatz von Hilfsstoffen, verbunden. Die Abscheiderate ist generell < 100 %. Zudem ist eine stoffliche Nutzung von abgeschiedenem Kohlenstoffdioxid, bei Pyrolyseverfahren auch Kohlenstoffruß, nur in sehr beschränktem Maße möglich. Eine sichere und dauerhafte Endlagerung von Kohlenstoffdioxid ist mit weiteren technischen und kommerziellen Aufwänden verbunden und würde auch an einem Nutzungskonflikt scheitern: Die erforderlichen Formationen im Untergrund (Kavernen) werden auch als Gasspeicher für Wasserstoff benötigt.

Weiterlesen und „Praxis Energiemanagement digital“ 4 Wochen gratis testen:

  • Das komplette Know-how in Sachen Energiemanagement und Energieeffizienz
  • Zugriff auf über 150 Fachbeiträge und 80 Arbeitshilfen
  • Onlinezugriff – überall verfügbar


Sie haben schon ein Abonnement oder testen bereits? Hier anmelden

Ihre Anfrage wird bearbeitet.
AuthError LoginModal