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05312 Modelle im Energiemanagement – akademische Spielerei oder die Lösung für die Darstellung der energiebezogenen Leistung?

Dieser Beitrag fasst die Erkenntnisse aus mehreren Fachartikeln dieses Werks zur Erstellung und zum Umgang mit Modellen zusammen. Nach der Lektüre (vermutlich einhergehend mit einer intensiveren inhaltlichen Beschäftigung) sind Sie in der Lage, Modelle zur Darstellung der energiebezogenen Leistung zu erstellen und anzuwenden.
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1 Einleitung

Obwohl die neue ISO 50001:2018 und auch die ISO 50006 Modelle als Lösung für geeignete EnPIs ansprechen, beobachtet man ihren Einsatz in der Praxis eher selten. Aus Gewohnheit oder vielleicht auch aus Scheu vor den mathematischen Herausforderungen begnügt man sich lieber mit einfachen spezifischen Kennzahlen (sog. spezifischen Energieverbräuchen, kurz SEV), auch auf die Gefahr hin, dass sie etwas ganz anderes oder zumindest eine stark verzerrte energiebezogene Leistung darstellen.
KISS EnPI
Nur mit wenigen Mausklicks ließe sich zeigen, dass diese angenommenen Zusammenhänge manchmal gar nicht existieren. Dem KISS(keep it simple stupid)-Prinzip folgend werden EnPIs für Unternehmen und Prozesse aufgestellt, die zwar leicht zu vermitteln sind, aber mit der Realität oft nicht mehr viel zu tun haben. Vereinzelt findet man sogar EnPIs, die auf Energiekosten basieren. Dass dies nichts mit Energieeffizienzsteigerung zu tun hat, ist offensichtlich, denn Kostensenkungen lassen sich allein schon durch die Wahl eines günstigeren Anbieters erreichen. Der Leitfaden ISO 50004:2020 sagt daher auch ganz eindeutig, dass eine EnPI immer auch eine Energiekomponente enthalten muss.
Ja, der Umgang mit Modellen ist nicht trivial und etwas gewöhnungsbedürftig. Wie findet man überhaupt das passende Modell? Welche Eingaben braucht man? Was für Modellfehler gibt es, und wie kann man diese ermitteln? Die Antworten auf diese Fragen können in verschiedenen Beiträgen in diesem Werk gefunden werden (aktuelle Übersicht s. Kap. 09002, Normabschnitte 6.3–6.5). Dieser Beitrag bietet eine Zusammenfassung. Basis für alles sind die ISO 50001:2018 und die ISO 50006:2014, deren Anforderungen und Verständnis im Folgenden dargelegt werden.

2 EnPIs und die Normen

Die wohl beste Zusammenfassung und gleichzeitig die beste Visualisierung des Themas bietet Bild A.3 der ISO 50001:2018 [1]. Die Begriffsdefinitionen und insbesondere die Anforderungen der Kapitel 6.3–6.6 untermauern diese Darstellung.
Abb. 1: Das Grundverständnis zum Umgang mit der energiebezogenen Leistung
Statistisch oder technisch?
Unter einer Energieleistungskennzahl EnPI versteht die Norm das Maß oder die Einheit der energiebezogenen Leistung, wie sie die Organisation festgelegt hat (3.4.4). Dabei kann es sich um eine einfache Metrik, ein Verhältnis oder ein Modell handeln. ISO 50006:2014 gibt in Tabelle 2 entsprechende Beispiele und unterscheidet zwischen statistischen und technischen Modellen. Während statistische Modelle lineare oder nicht lineare Regressionen nutzen, versucht das technische Modell den Zusammenhang zwischen Energieverbrauch und relevanten Variablen durch technische Simulationen herzustellen. Diese Simulationen können einfach, aber auch beliebig komplex sein. Errechnet man mithilfe des technisch/physikalischen Modells das physikalische Optimum (PhO), so lässt sich das maximal mögliche Potenzial ermitteln (s. z. B. VDI 4663 Blatt 1 zur methodischen Anwendung des physikalischen Optimums – Entwurf April 2019).
Eine EnPI mit zwei EnPI-Werten
Mittlerweile deutlich abgegrenzt von der EnPI (= Energieleistungskennzahl) ist der EnPI-Wert. Dabei handelt es sich um die Quantifizierung der EnPI zu einem bestimmten Zeitpunkt oder über einen bestimmten Zeitraum (3.4.5). Der EnPI-Wert des Bezugszeitraums wird als energetische Ausgangsbasis EnB bezeichnet. Nach 3.4.7 ist die EnB der „quantitative Referenzpunkt als Basis für einen Vergleich der energiebezogenen Leistung”, im Folgenden oft auch einfach als Baseline-Wert bezeichnet. Klarstellend sind auch die beiden Anmerkungen zum Begriff:
„Anmerkung 1: Eine energetische Ausgangsbasis beruht auf Daten aus einem festgelegten Zeitabschnitt und/oder auf Bedingungen, wie von der Organisation festgelegt.
Anmerkung 2: Eine oder mehrere energetische Ausgangsbasen werden bei der Bestimmung der Verbesserung der energiebezogenen Leistung verwendet, als Referenz vor und nach oder mit und ohne Umsetzung von Maßnahmen zur Verbesserung der energiebezogenen Leistung.”
Verbesserung der energiebezogenen Leistung
Sinn und Zweck des Ganzen ist es, die Verbesserung der energiebezogenen Leistung darzulegen. Dabei handelt es sich um die „Verbesserung der messbaren Ergebnisse der Energieeffizienz oder des Energieverbrauchs, bezogen auf den Energieeinsatz, im Vergleich mit der energetischen Ausgangsbasis” (3.4.6).
Richtig in Abbildung 1 dargestellt ist auch das Energieziel als quantifizierbares Ziel der Verbesserung der energiebezogenen Leistung (3.4.15)”. Diese Definition schließt nicht messbare Energieziele und Energieziele, die nur den Status quo erhalten sollen, aus.
Sich ändernde Faktoren
Die energiebezogene Leistung ausgedrückt über die EnPI z. B. eines SEU kann von veränderlichen Einflussgrößen abhängig sein, den sogenannten Variablen. Die Norm definiert relevante Variablen als quantifizierbare Faktoren, die die energiebezogene Leistung wesentlich beeinflussen und sich routinemäßig ändern (3.4.9). Kriterien dafür, was wesentlich ist, definiert wie immer die Organisation. Der Energieverbrauch z. B. eines SEU kann von vielen Variablen abhängen. Die wesentlichen davon müssen quantifiziert werden (6.3c).
Liegen relevante Variablen vor, so müssen sie bei der Erstellung der EnPI berücksichtigt werden, sodass die entsprechenden Werte normiert werden können (6.4/6.5). EnPIs müssen letztlich geeignet sein, die energiebezogene Leistung zu messen und zu überwachen.
Eine EnPI für jeden SEU
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass jeder SEU eine EnPI benötigt, die – sofern relevante Variablen vorhanden sind – eine Normierung der EnPI-Werte ermöglichen muss. Diese Anforderung ergibt sich unzweifelhaft aus den hier dargestellten Normpunkten.
Das „Rauschen”
Nicht im Original dargestellt sind die Fehlerbalken in Abbildung 1. Das heißt aber nicht, dass diese nur „nice to have” sind. Grundsätzlich gehört eine Fehlerbetrachtung zu jedem messtechnischen Arbeiten. ISO 50001:2018 erwartet, dass „die zur Messung von Hauptmerkmalen verwendete Ausrüstung Daten bereitstellt, die genau und wiederholbar sind” (6.6). In Anhang A.9.1 wird sie konkreter: „Bei der Durchführung von Analysen sollte den Einschränkungen der Daten (Genauigkeit, Präzision, Messunsicherheit) und der Konsistenz der Energiedatenerfassung Rechnung getragen werden, bevor endgültige Schlussfolgerungen gezogen werden.”
ISO 50006
ISO 50006:2014 Nr. 4.2.6.4 zum Sicherstellen von Datenqualität führt aus: „Vor der Berechnung von EnPIs und entsprechenden EnBs sollte die Organisation den Satz gemessener Energiewerte und relevanter Variablen überprüfen, um die Qualität der Daten zu bestimmen. Fehlerhafte Zählung, fehlerhafte Datenerfassung oder untypische Betriebsbedingungen können wesentliche Ausreißer erzeugen, bei denen es notwendig sein kann, sie zu untersuchen. Wenn einige entlegene Messungen ausgeschlossen werden, sollte darauf geachtet werden, dass dies keinen systematischen Fehler (bias) in die EnPI oder entsprechende EnB einführt. Ungenauigkeiten in Messgeräten können die Gültigkeit der gesammelten Daten beeinträchtigen. Die Organisation sollte die regelmäßige Kalibrierung von Ausrüstung entsprechend den Empfehlungen des Herstellers in Betracht ziehen, um das Risiko ungenauer Daten zu verringern. Messgenauigkeit und Grad von Unsicherheit sollten bei der Interpretation von und Berichten über EnPIs mit einbezogen werden”. [2]
Auch wenn die Normen diese wichtigen Ausführungen in „sollte”-Formulierungen kleiden, so lassen sich ohne deren Beachtung keine eindeutigen Aussagen zur Verbesserung der energiebezogenen Leistung treffen. Verbesserungen von 1 % bei einer Messunsicherheit von 3 % sind faktisch nicht vorhanden. Sie liegen im Rauschen.

3 Quantifizieren der Variablen

Die einfachste EnPI liegt vor, wenn es keine veränderlichen Einflussgrößen auf den Energieverbrauch gibt. Aber auch für diesen Fall sind die statischen Einflussgrößen (statische Faktoren) festzuhalten bzw. bei Maßnahmen (EPIA: maßnahmenbezogener Ansatz) die Randbedingungen. Für den spezifischen Energieverbrauch SEV (also ein einfaches Verhältnis) oder für ein Modell müssen mögliche Variablen zunächst quantifiziert werden. Beispiele für mögliche relevante Variablen können sein (ISO 50004:2020 Nr. 6.4):

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