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05301 Die energetische Bewertung – das Herzstück des Energiemanagements

Im folgenden Beitrag wird das Anforderungsprofil an die energetische Bewertung der ISO 50001 inkl. EnPI und EnB im Detail vorgestellt. Für jeden Schritt werden praktische normkonforme Lösungsbeispiele aufgezeigt. Der Beitrag schließt mit einem Vergleich der energiebezogenen Leistung mit den Baseline-Werten basierend auf einem EnPI-Model und dem Energieziel.
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1 Was ist die energetische Bewertung?

Abgrenzung und Klarstellung
Zunächst einmal sollte man zur Klarstellung festhalten, was die energetische Bewertung nicht ist. Sie ist keine Managementbewertung und auch kein internes Systemaudit. Sie darf auch nicht verwechselt werden mit dem Normabschnitt 9.1.1 der ISO 50001:2018 „Überwachung, Messung, Analyse und Bewertung”, obwohl es hier durchaus Berührungspunkte gibt. Gemäß Abschnitt 3.5.5 der ISO 50001 geht es bei der energetischen Bewertung um „eine Analyse der Energieeffizienz, des Energieeinsatzes und des Energieverbrauchs, basierend auf Daten und anderer Information, die zur Identifizierung von SEUs und von Möglichkeiten zur Verbesserung der energiebezogenen Leistung (ebL) führt”. [1]
Taktischer Planungsprozess
Sie ist Herzstück des taktischen Planungsprozesses (s.  Abb. 1), der von dem strategischen abzugrenzen ist. Bei der strategischen Planung geht es um die Identifizierung von Risiken und Chancen, die mit den internen und externen Themen und den Erwartungen interessierter Parteien zusammenhängen (s. Kap. 05307). Die Anforderungen an die energetische Bewertung sind im Planungskapitel 6.3 der Norm festgelegt.
Vergleichbare Instrumente
Vergleichbare Instrumente außerhalb der ISO 50001 sind das Energieaudit nach DIN EN 16247-1, was manchmal auch als Input für die energetische Bewertung empfohlen wird, und das alternative System nach Anlage 2 der SpaEfV (s. Kap. 10013 und Kap. 03011). Im Detail liegen aber bei beiden Instrumenten signifikante Unterschiede zur energetischen Bewertung vor.
Als Herzstück des Planungsprozesses hat die energetische Bewertung Berührungspunkte mit vielen anderen Bausteinen des Managementsystems, wie z. B. Energieziele und Aktionspläne (6.2), Planung der Energiedatensammlung (6.6), betriebliche Planung und Steuerung (8.1), Überwachung, Messung, Analyse und Bewertung (9.1.1) und der Managementbewertung (9.3). Am engsten verknüpft ist sie mit dem Normabschnitt zu Energieleistungskennzahlen (EnPIs) (6.4) und damit auch zu den energetischen Ausgangsbasen (EnB) (6.5). Daher werden diese in diesem Beitrag mitbehandelt.
Abb. 1: Energieplanungsprozess (nach [1], Bild A.2)
Dokumentierte Information
Die Ergebnisse der energetischen Bewertung müssen aufgezeichnet werden. Die Vorgehensweise und die Bewertungskriterien für die SEU müssen in einem Verfahren festgeschrieben sein. Sie muss in festgelegten Zeitabständen (in der Regel jährlich) sowie nach wesentlichen Änderungen an Anlagen, Einrichtungen, Systemen oder Energie nutzenden Prozessen aktualisiert werden.

2 Gewöhnungsbedürftige Begriffswelt

Energieeinsatz ist nicht Energieverbrauch
SEU, EnPI, EnB – alles sehr wichtige Abkürzungen, die es in sich haben. SEU steht für „significant energy use” auf Deutsch „wesentlicher Energieeinsatz”. Dabei handelt es sich um „den Energieeinsatz (Anmerkung des Autors: nicht zu verwechseln mit dem Energieverbrauch), der wesentlichen Anteil am Energieverbrauch hat und/oder erhebliches Potential für eine Verbesserung der energiebezogenen Leistung bietet” (3.5.6). Beispiele sind Lüftung, Beleuchtung, Heizung, Kühlung, Transport, Datenspeicherung oder Produktionsprozesse. Es kann sich um Anlagen/Standorte, Systeme, Prozesse oder Einrichtungen handeln. Der Begriff Standort ist hier im Sinne von Anlagenstandort (facility), nicht im Sinne von „site” zu verstehen. Energieeinsatz ist keine quantitative Größe. Die Kriterien, was „wesentlich” ist, bestimmt die Organisation.
Absolute und normierte EnPI
Nicht einfacher wird es bei der EnPI – der Energieleistungskennzahl (energy performance indicator). Die EnPI ist „ein Maß oder Einheit der energiebezogenen Leistung, wie von der Organisation festgelegt” (3.4.4). Bei der energiebezogenen Leistung handelt es sich „um messbare Ergebnisse bezüglich Energieeffizienz, Energieeinsatz und Energieverbrauch” (3.4.3). Die EnPI kann eine „einfache Metrik, ein Verhältnis oder ein Modell” sein, oder anders ausgedrückt, der absolute Energieverbrauch, z. B. der spezifische Energieverbrauch oder der Energieverbrauch, der sich durch eine z. B. lineare Gleichung ergibt.
Normierung
Der spezifische Energieverbrauch bzw. der des Modells wird durch Normierung (neuerdings Normalisierung) auf relevante Variablen erhalten (nachzulesen bspw. in ISO 50006). Die relevante Variable ist ein „quantifizierbarer Faktor, der die energiebezogene Leistung wesentlich beeinflusst und sich routinemäßig ändert” (3.4.9), wie z. B. Wetterbedingungen, Betriebsbedingungen (Innenraumtemperatur, Lichtstärke), Arbeitsstunden oder Produktionsmenge. Ob es sich bei den möglichen Einflussgrößen um eine relevante Größe handelt, wird in der Regel durch statistische Methoden ermittelt. Bei der Normierung (die Norm spricht von Normalisierung) geht es um die „Modifizierung von Daten zur Berücksichtigung von Änderungen, um den Vergleich der energiebezogenen Leistung unter gleichwertigen Bedingungen zu ermöglichen” (3.4.10). Nachdem die Rechenregeln für normierte EnPIs festgelegt sind, können die normierten EnPI-WERTE für definierte Zeiträume errechnet werden.
Baseline-Wert
Bleibt noch die EnB – die energetische Ausgangsbasis: hierbei handelt es sich um den „quantitativen Referenzpunkt als Basis für den Vergleich der energiebezogenen Leistung” (3.4.7). Es handelt sich um den EnPI-WERT für den Bezugszeitraum. Während der Baseline-Wert bei der absoluten und spezifischen EnPI in der Regel als Wert eines in der Vergangenheit liegenden Zeitraums bekannt ist, kann der Baseline-Wert bei einem Forecast-Modell erst mit den Größen der relevanten Variablen des Berichtszeitraums nachträglich für den Bezugszeitraum berechnet werden.
Abb. 2: Visualisierung EnPI, EnPI-Werte und EnB (nach [1], Bild A.3)
Wie man an der Definition oben erkennen kann, enthält die energetische Bewertung einen analytischen Teil, einen Teil, der sich mit den SEUs beschäftigt, und einen kreativen Teil, der Verbesserungspotenziale aufdeckt.

3 Analyse des Energieverbrauchs und Energieeinsatzes

3.1 Was will die Norm?

Analyse des Gesamtverbrauchs und der Nutzungen
Der Energieeinsatz und der Energieverbrauch müssen „auf Basis von Messungen und anderen Daten analysiert werden, in dem aktuelle Energiearten ermittelt sowie der frühere und aktuelle Energieeinsatz und Energieverbrauch bewertet werden” (6.3.a). Diese Analyse muss so tiefgehend sein, dass man später SEUs identifizieren kann (6.3.b).
Vergleicht man mit der ISO 50001:2011, so fällt nur ein Unterschied auf. Das Wort „Energiequelle” wurde durch „Energieart” ersetzt. Man muss also offenbar alle Energiearten identifizieren und ihren Verbrauch bestimmen, nicht nur die „primären” Endenergien wie z. B. Strom und Gas, sondern ggf. auch die „sekundären” wie z. B. Druckluft, Dampf oder Strom und Wärme eines gasbetriebenen BHKWs.

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