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11205 Der VSME-Standard der EFRAG – ein praxisorientierter Einstieg für KMU

Mit dem VSME-Standard bietet die EFRAG KMU eine praxisnahe Lösung für eine freiwillige und zukunftssichere Nachhaltigkeitsberichterstattung. Der Standard erleichtert es Unternehmen, den gestiegenen Anforderungen von Großkunden, Banken und Investoren gerecht zu werden, ohne ihre Ressourcen zu überfordern. Der VSME legt besonderen Fokus auf eine einfache, anwendbare Struktur mit klaren Vorgaben und reduziertem Aufwand, die speziell für nicht börsennotierte KMU entwickelt wurde. Gleichzeitig ermöglicht er eine Transparenz, die Vertrauen schafft und strategische ESG-Ziele unterstützt. Fachverantwortliche erfahren durch diesen Standard, wie sie sich effektiv auf künftige Berichtspflichten vorbereiten und Nachhaltigkeit fest in ihre Unternehmensprozesse integrieren können. Unterstützend stehen zwei kostenfreie Excel-Tools der EFRAG zur Verfügung, die Datenerfassung und Berichterstellung erleichtern.
von:

1 Der VSME-Standard – wichtig für KMU

Mit dem Voluntary Standard for non-listed micro-, small- and medium-sized undertakings (VSME) [1] stellt die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) erstmals ein strukturiertes Rahmenwerk zur Verfügung, das nicht kapitalmarktorientierten kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) eine standardisierte Nachhaltigkeitsberichterstattung ermöglicht.
Der Standard soll insbesondere folgende Ziele unterstützen:
Bereitstellung von Informationen für große Unternehmen, die Nachhaltigkeitsdaten ihrer Lieferanten benötigen (Lieferkettenanforderungen)
Bereitstellung von Informationen für Banken und Investoren zur Verbesserung des Zugangs zu Finanzierungen
Verbesserung des Nachhaltigkeitsmanagements durch strukturierte Prozesse und Transparenz
Beitrag zur nachhaltigen Transformation der europäischen Wirtschaft
Standardisierte Berichterstattung für KMU
Der VSME richtet sich an KMU, die nicht unter die Berichtspflicht der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) fallen, aber dennoch Nachhaltigkeitsinformationen kommunizieren möchten oder müssen. Der VSME wurde so konzipiert, dass er den ESG-Datenbedarf großer Unternehmen entlang der Lieferkette von KMU sowie von Banken und Investoren adressiert. Im Vergleich zu den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) sieht der VSME eine deutlich geringere Anzahl an Datenpunkten vor, ein vereinfachtes Berichtsformat sowie klare Hinweise zur Datenerhebung und -auslegung.

2 Anwendungsbereich: Freiwillig, aber strategisch sinnvoll

Der VSME ist freiwillig und richtet sich explizit an nicht börsennotierte Unternehmen, die gemäß Richtlinie 2013/34/EU als mikro, klein oder mittelgroß eingestuft werden. Der Standard kann auch von Einzelunternehmern, nicht eingetragenen Unternehmen sowie börsennotierten Mikrounternehmen verwendet werden.
Nach der EU-Richtlinie 2013/34/EU gelten folgende Schwellenwerte:
Mikrounternehmen dürfen zwei von drei Schwellenwerten nicht überschreiten: eine Bilanzsumme von 450.000 €, einen Umsatz von 900.000 € und im Durchschnitt 10 Beschäftigte. Von Mikrounternehmen wird erwartet, dass sie das Basis-Modul verwenden.
Für kleine Unternehmen gelten Schwellen bis 5 Mio. € Bilanzsumme, 10 Mio. € Umsatz und 50 Mitarbeitende. Von kleinen Unternehmen wird erwartet, dass sie das „Comprehensive”-Modul verwenden.
Mittlere Unternehmen dürfen bis zu 25 Mio. € Bilanzsumme, 50 Mio. € Umsatz und 250 Beschäftigte aufweisen. Auch von Mittelunternehmen wird erwartet, dass sie das „Comprehensive”-Modul verwenden.
Externer Druck wächst
Auch wenn die Anwendung des VSME freiwillig ist, nimmt der externe Druck zur Offenlegung von ESG-Daten entlang der Wertschöpfungskette zu. Große Unternehmen, die unter die CSRD fallen, müssen zunehmend auch Daten ihrer Zulieferer einbeziehen (Scope-3-Berichterstattung). Für KMU kann die VSME-konforme Berichterstattung also ein entscheidender Vorteil sein – im Vertrieb ebenso wie bei der Finanzierung.

3 Wesentlichkeitsanalyse im VSME

3.1 Von doppelter Wesentlichkeit zur pragmatischen Relevanzprüfung

Mit der Einführung der CSRD und den zugehörigen ESRS hat sich in der europäischen Nachhaltigkeitsberichterstattung ein Paradigmenwechsel vollzogen: Im Zentrum steht nun die sogenannte doppelte Wesentlichkeit („double materiality”), die sowohl die Auswirkungen des Unternehmens auf Umwelt und Gesellschaft als auch die finanziellen Risiken und Chancen aus Nachhaltigkeitsthemen berücksichtigt. Diese Zweifachperspektive ist mehr als ein technisches Reporting-Kriterium – sie spiegelt eine neue Denkrichtung in der Unternehmensverantwortung wider: Nachhaltigkeit wird nicht nur als externe Berichtspflicht, sondern als internes Steuerungsinstrument verstanden, mit dem Ziel, die negativen Impacts des Unternehmens in den Blick zu bekommen.
Nachhaltigkeit als Steuerungsinstrument
Die doppelte Wesentlichkeitsanalyse dient dabei als methodisches Rückgrat: Sie hilft zu priorisieren, strategische Ziele zu definieren und Maßnahmen mit dem größten Wirkungs- oder Risikopotenzial zu identifizieren. Mit ihr beginnt die gezielte Nachhaltigkeitsarbeit.
Eine vollständige Double Materiality Assessment (DMA) nach ESRS kann für KMU jedoch mit erheblichem Aufwand verbunden sein, da sie die systematische Erfassung, Bewertung und Dokumentation sowohl interner Risiken als auch externer Auswirkungen erfordert. Der Prozess umfasst typischerweise mehrere Workshops, Stakeholderbefragungen, Datenanalysen, Öko- und Sozialbilanzen sowie eine strukturierte Themenpriorisierung – was je nach Ausgangslage mehrere Wochen bis Monate in Anspruch nehmen kann.
Pragmatische Relevanzprüfung
Anders als die ESRS sieht der VSME für freiwillig berichtende KMU keine doppelte Wesentlichkeitsanalyse in vollem Umfang vor. Stattdessen verfolgt er einen pragmatischeren Ansatz, der speziell auf die Ressourcen- und Kapazitätslage von KMU zugeschnitten ist. Das Ziel besteht nicht darin, ein umfassendes Steuerungsinstrument aufzubauen, sondern Informationen für Stakeholder – etwa Banken, Kunden oder Brancheninitiativen – strukturiert verfügbar zu machen. Zwar enthält der Standard ebenfalls die beiden Kernperspektiven der doppelten Wesentlichkeit – also die Wirkungen des Unternehmens auf Mensch und Umwelt einerseits und die Auswirkungen externer Nachhaltigkeitsthemen auf das Unternehmen selbst andererseits –, doch wird diese Verbindung nicht in Form einer detaillierten, systematisch dokumentierten Analyse eingefordert. Stattdessen erlaubt der Standard eine vereinfachte Bewertung der Relevanz – etwa anhand qualitativer Einschätzungen, einfacher Tabellen oder branchenspezifischer Vorlagen.

3.2 Das „If applicable”-Prinzip: Relevanz durch Prüfung

Zentral für die Umsetzung der Relevanzprüfung im VSME ist das sogenannte „If applicable”-Prinzip. Es besagt, dass bestimmte Angaben nur dann berichtspflichtig sind, wenn die zugrunde liegenden Umstände im Unternehmen tatsächlich gegeben sind (vgl. Absatz 13 VSME, [1]): Wird eine solche Angabe im Bericht ausgelassen, wird davon ausgegangen, dass sie schlichtweg nicht zutrifft. Eine separate Begründung ist nicht erforderlich, kann aber zur Erhöhung der Transparenz beitragen.
Wie dieses Prinzip praktisch funktioniert, zeigen zwei typische Beispiele aus dem VSME: Die Offenlegung zur Kreislaufwirtschaft ist nur dann relevant, wenn das Unternehmen tatsächlich nach zirkulären Prinzipien arbeitet. Entsprechend kann diese Information im Bericht erscheinen – oder auch ganz entfallen. Ähnlich verhält es sich mit Angaben zum Wasserverbrauch, die nur bei signifikant wasserintensiven Prozessen zu erfassen sind.
Vor- und Nachteil
Der Vorteil dieses Ansatzes liegt auf der Hand: Unternehmen müssen sich nicht mit irrelevanten Themen beschäftigen und können sich auf das fokussieren, was für ihre Geschäftstätigkeit tatsächlich Bedeutung hat. Gleichzeitig birgt das „If applicable”-Prinzip die Gefahr, dass relevante Themen übersehen oder vorschnell ausgeschlossen werden – insbesondere dann, wenn keine begleitende Analyse zur Einordnung stattfindet.

3.3 Zwischenfazit

Die Unterscheidung zwischen einer klassischen Wesentlichkeitsanalyse und dem „If applicable”-Prinzip liegt somit im Ziel und in der Tiefe der Auseinandersetzung. Während die Wesentlichkeitsanalyse – wie im Rahmen der CSRD – eine aktive Priorisierung und strategische Steuerung unterstützt, dient das „If applicable”-Prinzip vor allem der pragmatischen Informationsfilterung für den konkreten Berichtsprozess.
Für viele KMU kann es dennoch sinnvoll sein, eine verschlankte Form der Wesentlichkeitsanalyse durchzuführen. Dies gilt insbesondere dann, wenn Nachhaltigkeit nicht nur berichtet, sondern systematisch in Entscheidungsprozesse und Geschäftsstrategien integriert werden soll. Eine solche kompakte Analyse lässt sich mit überschaubarem Aufwand durchführen. Branchenleitfäden, bestehende Kundenanforderungen oder öffentlich verfügbare ESRS-Materialitätsanalysen vergleichbarer Unternehmen können als Ausgangspunkt genutzt werden. Darauf aufbauend lassen sich unternehmensspezifische Prioritäten definieren – beispielsweise anhand erwarteter Regulierungen, lokaler Umweltbedingungen oder spezifischer Stakeholderinteressen.
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