06115 Bilanzierung von Treibhausgasemissionen in Transport und Logistik
Klimaschutz ist heute wichtiger denn je und der Transport- und Logistiksektor spielt dabei eine entscheidende Rolle. Dieser Artikel beleuchtet die Bilanzierung von Treibhausgasemissionen (THG) in dieser Branche und zeigt, wie internationale Standards zur Bilanzierung und Reduktion von Emissionen beitragen. Er erklärt die Grundlagen der THG-Emissionsberechnung und stellt verschiedene Methoden und Standards wie das Greenhouse Gas Protocol und die ISO 14083 vor. Zudem werden praktische Beispiele und Berechnungsmethoden für den Straßengüterverkehr, Flugverkehr und die Seeschifffahrt erläutert. von: |
1 Allgemeine Ausgangslage beim Klimaschutz
Der Klimaschutz ist in den vergangenen Jahren immer stärker ins öffentliche Bewusstsein gelangt, was auf der einen Seite durch politischen Aktivismus der Fridays-for-Future-Bewegung zurückzuführen ist. Auf der anderen Seite ist das Thema in den Massenmedien omnipräsent und Vertreter aus Forschung und Zivilgesellschaft adressieren entsprechende Forderungen an die verantwortliche Politik. Diese hat in den vergangenen Jahren eine Reihe von Maßnahmen und Gesetzen verabschiedet, um alle Akteure in ihren Klimaschutzbemühungen zu unterstützen, Maßnahmen durchzusetzen und Klimaziele zu erreichen, die von Wissenschaftsvertretern definiert wurden. Dabei rücken vor allem multinationale Berichterstattungspflichten in den Fokus, wie die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der Europäischen Union, die Großunternehmen zu einer umfassenden Einschätzung über die Auswirkungen ihrer Geschäftspraktiken auf Gesellschaft und Umwelt verpflichtet. Aber auch der europäische Green Deal mit einer umfassenden Agenda über eine Vielzahl von Sektoren gibt das eindeutige Signal an multinationale Unternehmen, dass die 27 EU-Mitgliedsstaaten sich verpflichtet haben, die durch den IPCC gesetzten Klimaziele zu erreichen und bis 2050 klimaneutral zu werden.
1.1 Ausgangslage Klimaschutz in Transport und Logistik
Rund ein Fünftel der europäischen Treibhausgase (THG) sind auf den Verkehr zurückzuführen, der im Vergleich zu 1990 deutlich zugenommen hat, was mit einer gestiegenen Mobilität von Personen und Gütern einhergeht. Damit der Verkehrssektor seinen Beitrag zur Klimaneutralität 2050 leisten kann, müssen eine Reihe von Maßnahmen wie Elektromobilität und Biokraftstoffe weiterentwickelt und wirtschaftlich skalierbar gemacht werden. Auch hier wurden von der Bundesregierung und auf EU-Ebene entsprechende Maßnahmen beschlossen, um die Sektorziele für den Verkehr zu erreichen. Dazu zählt vor allem der europäische Emissionshandel (ETS), der Grenzwerte für den Flug- und Schiffsverkehr festlegt. Aber auch die an den CO2-Ausstoß gekoppelte Lkw-Maut in Deutschland soll den Umstieg auf klimaneutrale Antriebe und Kraftstoffe fördern.
Um eine einheitliche Berechnung der transportbezogenen THG-Emissionen zu gewährleisten, ist 2012 mit der EN 16258 der erste breit angewandte Standard entwickelt worden, der im Jahr 2023 in einen internationalen Standard, die ISO 14083, überführt worden ist. Das Ziel dabei ist es, die THG-Emissionen aus Transport und Logistik in den gesamtheitlichen CO2e-Fußabdruck eines Unternehmens zu integrieren und daraus entsprechende Reduktionsmaßnahmen und Zielsetzungen abzuleiten. Zusätzlich zu den sehr formal gehaltenen Standards der ISO hat das Smart Freight Centre (SFC) im Rahmen des Global Logistics Emissions Council (GLEC) 2016 das GLEC-Framework veröffentlicht, das den beteiligten Unternehmen in Transport und Logistik praktische Handlungsempfehlungen gibt, THG-Emissionen auf unterschiedlicher Datenbasis zu berechnen. Die Methodiken stimmen dabei mit den Prinzipien der gängigen Standards überein und sind im Jahr 2023 in die Entwicklung der ISO 14083 eingeflossen.
2 Emissionsbilanzierung Grundlagen
In den späten 1990er-Jahren ist die Nachfrage nach einer einheitlichen betrieblichen Bilanzierung von THG-Emissionen gestiegen, worauf 2001 der erste Corporate Standard des Greenhouse Gas Protocols (GHGP) veröffentlicht wurde. Das GHGP unterteilt die THG-Emissionen, die im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit emittiert werden, in drei Bereiche, die durch unterschiedliche Verantwortlichkeiten des Unternehmens definiert werden. So unterliegen THG-Emissionen, die unmittelbar in unternehmenseigenen Gebäuden oder Fahrzeugen emittiert werden, einer direkten Verantwortung und sind im sogenannten Scope 1 zu bilanzieren. Unter Scope 2 fallen solche THG-Emissionen, die bei der Erzeugung von Strom oder Fernwärme entstehen und dem Unternehmen indirekt zugeordnet werden. Ebenfalls indirekte Emissionen sind die THG-Emissionen in Scope 3, die innerhalb der Lieferkette („upstream” und „downstream”) verursacht werden. Im Bereich Scope 3 gibt es 15 Unterkategorien, die genau definieren, welche indirekten THG-Emissionen zu berücksichtigen sind und damit eine Vergleichbarkeit der verschiedenen Quellen ermöglichen und den Unternehmen helfen sollen, Prioritäten für entsprechende Maßnahmen zu setzen. Während den Unternehmen für Scope 1 und 2 oft genaue Verbrauchsdaten vorliegen, aus denen die CO2e-Emissionen berechnet werden können, sind die Emissionen bei Scope 3 aufgrund fehlender Datengrundlagen schwer zu berechnen.
Abb. 1: Scopes nach Greenhouse Gas Protocol
Für die THG-Emissionen aus Transportleistungen sind dabei vor allem die aus der Verbrennung von Kraftstoff im eigenen Fuhrpark (Scope 1) relevant bzw. für Fahrzeuge mit einem Elektroantrieb die aus Scope 2. Transporte, die durch Drittunternehmen im Auftrag des berichtenden Unternehmens durchgeführt werden, sind in den Scope 3-Unterkategorien 4 oder 9 zu berichten. Die THG-Emissionen, die für die Herstellung eines Kraftstoffs anfallen, müssen in der Scope 3-Unterkategorie 3 „Brennstoff- und energiebezogene Aktivitäten (nicht in Scope 1 oder Scope 2 enthalten)” berichtet werden. Diese Unterscheidung geht auf die Verantwortlichkeit der THG-Emissionsquelle zurück. Bei den sogenannten Well-to-Tank(WTT)-THG-Emissionen werden solche berücksichtigt, die auf die Vorkette des Kraftstoffs bis zur Betankung in das Fahrzeug zurückzuführen sind. Die THG-Emissionen, die innerhalb des Fahrzeugs durch die Verbrennung des Kraftstoffs und die Umwandlung in Energie entstehen, sind unter die Tank-to-Wheel- bzw. Tank-to-Wake(TTW)-Kategorie zu fassen. In Bezug zum Greenhouse Gas Protocol Standard sind diese je nach Verantwortung auch in verschiedenen Kategorien zu berichten. Die Gesamtemissionen eines Transports von der Herstellung des Kraftstoffs bis zur Verbrennung im Fahrzeug werden in diesem Kontext Well-to-Wake (WTW) genannt.
Der Anteil der Well-to-Tank-Emissionen variiert dabei von Kraftstoff zu Kraftstoff. So machen diese Emissionen beim Dieselkraftstoff etwa 23 % der Gesamtemissionen aus und bei Flugkerosin (JET A/A1) etwa 20 %. Die Berechnung dieser Einteilung wird besonders dann wichtig, wenn die Einordnung in die Bilanzierung des GHGP erfolgt, aber auch, wenn Biokraftstoff verwendet wird, bei dem die Emissionen aus der unmittelbaren Verbrennung (Tank-to-Wake) nahezu 0 sind. Hier bestimmen die Emissionen aus der Vorkette also das Reduktionspotenzial eines entsprechenden Biokraftstoffs, das je nach Herstellungsprozess und verwendeten Rohstoffen stark variieren kann.
Abb. 2: Kraftstofflebenszyklus
Neben den CO2-THG-Emissionen sind auch andere Treibhausgase in die Berechnung mit einzubeziehen, die eine wärmende Wirkung auf das Klima haben. Diese CO2-Equivalente werden vom Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) definiert und sind entsprechend ihrer Klimawirkung im Verhältnis zu CO2 in einem CO2e-Faktor zu berücksichtigen. Dazu zählen beispielsweise Distickstoffoxid (N2O) oder Methan (CH4), das eine etwa 28-mal stärkere Klimawirkung hat als CO2. Bei den im Transportbereich genutzten Kraftstoffen kann man grundsätzlich von etwa 2 % zusätzlichen THG-Emissionen durch solche Nicht-CO2-Emissionen rechnen. Diese sind laut ISO 14083 und GLEC-Framework immer zu berücksichtigen.
3 Grundprinzipien der Treibhausgas-Emissionsberechnung im Güterverkehr
Die Berechnung der THG-Emissionen für einen Transport ist stark abhängig von der Datenverfügbarkeit. Dabei haben Frachtführer grundsätzlich Zugang zu sehr genauen Daten zum tatsächlichen Kraftstoffverbrauch, während Spediteure und Verlader auf das Modellieren von Daten oder die Nutzung von ausgemittelten THG-Intensitäten, sogenannten Default-Werten, zurückgreifen. Dabei ist immer das Steuerungspotenzial der einzelnen Ansätze zu berücksichtigen, das bei Default- Werten kaum möglich ist, jedoch bei der Verwendung von realen Verbrauchsdaten ein sehr genaues Monitoring von internen und externen Maßnahmen ermöglicht.