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05404 Strategien der strukturierten Strombeschaffung

Dieser Artikel gibt Ihnen grundlegende Informationen und Anregungen, um eine für Ihr Unternehmen passende Strombeschaffungsstrategie zu entwickeln. Zu Beginn werden die Zusammensetzung des Strompreises für Unternehmen, die Ermittlung der Verbrauchscharakteristik sowie marktgängige Stromversorgungsmodelle erläutert. Auf dieser Basis erfolgen anschließend die Entwicklung von Beschaffungsmodellen und die Darstellung von Chancen und Risiken.
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1 Einführung

Nach der Liberalisierung der Strommärkte im Jahr 1998 bestand für Unternehmen die Möglichkeit, die sich öffnenden Beschaffungsmärkte für Elektrizität zu nutzen. Zu Beginn erfolgte dies häufig in Form von Nachverhandlungen des Strompreises mit den lokalen Stromversorgungsunternehmen oder Ausschreibungen der Stromversorgung als Vollversorgung zu einem bestimmten Stichtag. Bei einer umfassenden Platzierung der Ausschreibung bei den Stromversorgungsunternehmen lässt sich mit dieser Vorgehensweise ein niedriger Strompreis am Markt – bezogen auf den Angebotsstichtag – realisieren.
Später wurden von Energieversorgern oder Energiedienstleistungsunternehmen (im Folgenden zusammenfassend Energiedienstleister genannt) zusätzliche Möglichkeiten über Tranchenverträge oder die Beschaffung auf Basis der Börsenprodukte angeboten.
Passt das Einkaufsmodell zu Ihrem Unternehmen?
Es stellt sich jedoch die Frage, ob das gewählte Einkaufsmodell eine passende Strategie für Ihr Unternehmen darstellt. Korrespondiert Ihre Strombeschaffung hinsichtlich zukünftiger Strombedarfsmengen und zeitlicher Verbrauchscharakteristik mit Ihren geplanten unternehmerischen Aktivitäten? Welche Chancen und Risiken hinsichtlich des Strompreises ergeben sich nach Vertragsabschluss aus der Art des Strombeschaffungsvertrags?
Dieser Artikel möchte Ihnen die grundlegenden Informationen und Anregungen geben, um eine für Ihr Unternehmen passende Strombeschaffungsstrategie zu entwickeln. In den Abschnitten 2 bis 4 werden die Zusammensetzung des Strompreises für Unternehmen, die Ermittlung der Verbrauchscharakteristik sowie marktgängige Stromversorgungsmodelle erläutert. Auf dieser Basis erfolgt in den Abschnitten 5 und 6 die Entwicklung von Beschaffungsmodellen und die Darstellung von Chancen und Risiken.

2 Zusammensetzung des Strompreises für Unternehmen (Entgelte, Abgaben, Umlagen und Steuern)

Das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) hat mit Wirkung ab dem Jahr 2005 ein „Unbundling” von vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmen festgelegt. Dies bedeutet innerhalb der Versorgungsunternehmen eine Trennung zwischen Energievertrieb, Netzbetrieb und ggf. Stromerzeugung. Somit ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen Forderungen des beauftragten Energiedienstleisters und denen des lokalen Verteilnetzbetreibers sowie ggf. zusätzlicher Forderungen eines beauftragten Messstellenbetreibers.
Die nachfolgenden Ausführungen setzen voraus, dass es sich bei dem stromabnehmenden Unternehmen um einen sogenannten „RLM-Kunden” handelt, d. h. einen Kunden mit registrierender Leistungsmessung. Üblicherweise sind das Unternehmen mit einem Stromverbrauch größer als 100.000 kWh p. a.
Stromkosten und Stromkostenbestandteile
Ausgehend von der Basis „Stromkosten (netto) frei Haus” ist unabhängig von der Art der Rechnungslegung zu unterscheiden zwischen Stromkosten, die durch das gewählte Stromversorgungsunternehmen erhoben werden, und Stromkostenbestandteilen, die durch den Netzbetreiber sowie den Messstellenbetreiber in Rechnung gestellt werden.
Die nachfolgende Abbildung 1 stellt die Kostenbestandteile beispielhaft dar. Berechnungsgrundlage sind Strombezug auf Mittelspannungsebene, Jahresverbrauch 1.250 MWh, 4.000 Volllastbenutzungsstunden. Die Möglichkeiten zur Verringerung von Steuern, gesetzlichen Abgaben und Umlagen z. B. durch Rückerstattungen, Ausgleichsregelungen oder Privilegierungstatbeständen sind hier nicht berücksichtigt.
Abb. 1: Darstellung der Stromkostenbestandteile

2.1 Preiskomponenten seitens des Stromversorgers

Der Stromversorger weist in seinen i. d. R. monatlichen Rechnungen Folgendes aus:
Arbeitspreis (reiner Strompreis),
Stromsteuer, festgelegt durch das Stromsteuergesetz,
EEG-Aufschlag gem. jährlicher Festlegung.

2.2 Preiskomponenten seitens des Netzbetreibers

In Abhängigkeit vom Vertragsverhältnis stellt der Netzbetreiber direkt Rechnungen an den Kunden oder fakturiert seine Forderungen über den Stromversorger.
Der Netzbetreiber erhebt Folgendes:
Leistungspreis für die Netznutzung,
Arbeitspreis Netznutzung,
Konzessionsabgaben gem. KAV (Konzessionsabgabenverordnung),
KWKG-Zuschlag (Zuschlag gem. Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz),
StromNEV-Aufschlag (gem. § 19 Stromnetzentgeltverordnung),
Aufschlag für abschaltbare Lasten gem. AbLaV,
Aufschlag für Offshore-Netz,
ggf. Entgelt für Messstellenbetrieb (sofern der Messstellenbetrieb nicht durch einen externen Messstellenbetreiber i. S. d. EnWG erfolgt und dieser selbst fakturiert).

2.3 Preiskomponenten seitens des Messstellenbetreibers

Sofern ein externer Messstellenbetreiber beauftragt ist und der Messstellenbetrieb nicht durch den Netzbetreiber erfolgt, entstehen hier folgende Kosten:
Kosten für Messung und Messstellenbetrieb,
ggf. Kosten für Zusatzeinrichtungen wie Wandler, Modems etc.
Rückerstattungsmöglichkeiten
Für die o. g. dargestellten Preiskomponenten gibt es diverse gesetzlich geregelte Möglichkeiten zu Preisreduktionen bzw. für Rückerstattungen. Diese können aus Kostensicht erhebliche Auswirkungen haben, sind jedoch hinsichtlich einer Strategie zur Strombeschaffung nicht relevant und würden zudem den Rahmen dieses Artikels sprengen.
Daher beziehen sich die nachfolgenden Betrachtungen ausschließlich auf den „reinen Strompreis” gemäß 2.1.

3 Verbrauchscharakteristik Ihres Unternehmens

Große Auswirkungen auf den Strompreis hat die Stromverbrauchscharakteristik Ihres Unternehmens. Hier fließen beispielsweise folgende Faktoren ein:
Stromabnahme ein- oder zweischichtig bzw. kontinuierlich,
Höhe des Grundlaststromverbrauchs, Spitzenlastverbräuche regelmäßig oder prognostizierbar.
Lastprofile bewerten
Um hier eine erste Bewertung vorzunehmen, werden die sogenannten Verbrauchslastprofile benötigt. Aus diesen wird ein Prognoselastprofil für das entsprechende Lieferjahr erstellt, auf dem dann die Strukturierung der einzelnen Stromprodukte basiert.

3.1 Verbrauchslastprofil

Die Ermittlung der Verbrauchslastprofile erfolgt durch den Messstellenbetreiber. Die Daten werden aus den Messwerten des Stromzählers gebildet und bestehen aus den gemessenen ¼-Stunden-Mittelwerten.
Abb. 2: Jahreslastprofil eines Industriestandorts (1. Januar bis 31. Dezember)
In dem Jahreslastprofil (s. Abb. 2) ist ein Leistungsbedarf von ca. 220 kW bis ca. 600 kW erkennbar. Die Abnahmecharakteristik ist ab dem dritten Monat relativ gleichmäßig, abgesehen von einer Urlaubsphase im siebten Monat und zum Jahresende.
Um weitere Details zu erkennen bietet sich häufig eine Wochenansicht an (s. Abb. 3)
Abb. 3: Ausschnitt Wochenlastprofil des Industriestandorts (Montag, 2. Mai bis Sonntag, 8. Mai)
Erkennbar ist hier eine Grundlast des Industriestandorts ohne aktiven Betrieb (Produktion) von ca. 220 kW. Aufgelagert ist ein zusätzlicher Bedarf an Werktagen von ca. 180 kW abzulesen. Der weitere Bedarf ist zeitlich und strukturell eher unregelmäßig.
kW oder kWh?
Die Verbrauchslastprofile sind entweder über den Energiedienstleister zu beziehen oder über den Messstellenbetreiber. In der Energiewirtschaft wird hierfür das Datenformat MSCONS verwendet. Um die Daten nicht selber konvertieren zu müssen, sollte nach einem CSV-Export gefragt werden. Hierbei ist darauf zu achten, ob die Werte in kW oder kWh angegeben sind. Für den Lastgang sollten die Werte wie in den Abbildungen dargestellt in kW verwendet werden. Bei Vorliegen als kWh-Werte ist jeder einzelne ¼-Stundenwert mit dem Faktor 4 zu multiplizieren.

3.2 Beschaffungslastprofil (Prognose)

Aus dem Verbrauchslastprofil wird ein Prognoselastprofil erstellt, das als Beschaffungslastprofil dient. Dieses erfolgt mit speziellen Softwaretools der Energiewirtschaft. Bei dem Transfer vom (historischen) Verbrauchslastprofil zum Prognoselastprofil wird eine Verschiebung von z. B. Wochentagen, Samstagen/Sonntagen, Feiertagen sowie „Brückentagen” berücksichtigt. Auch werden i. d. R. Mittelwerte aus vergleichbaren Tagen gebildet. Details werden in der Parametrierung der Software durch den Nutzer (z. B. Energiedienstleister) festgelegt.

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