05315 ISO 50006 und mehr – praktische Lösungen für die Bewertung der energiebezogenen Leistung von SEUs und der gesamten Organisation
Eine der größten Herausforderungen im Energiemanagement ist die Bewertung der energiebezogenen Leistung. Die Anfang 2025 erschienene deutsche Übersetzung der ISO 50006:2023 will hier Hilfestellung geben. Dieser Beitrag stellt die Norm vor, geht aber an vielen Stellen auch über sie hinaus. Es werden konkrete Lösungen für die Modellierung sowie die Überwachung und den Nachweis der Verbesserung der energiebezogenen Leistung vorgestellt. In Anlehnung an Anhang G der ISO 50006 wird gezeigt, wie die energiebezogene Leistung über mehrere Standorte hinweg ermittelt und bewertet werden kann. Arbeitshilfen: von: |
1 Einleitung
Rund sieben Jahre nach Veröffentlichung der ISO 50001:2018 erschien im Februar 2025 die deutsche Übersetzung der ISO 50006:2023. Die Norm ist gut strukturiert und weitestgehend klar geschrieben. Leserinnen und Leser dieses Fachwerks werden aber viele Informationen und Anwendungshilfen schon aus den folgenden Beiträgen entnommen haben:
• | Auswirkungen von nicht routinemäßigen Ereignissen (NRE) auf die energiebezogene Leistung mit dem aktuellen Tool zum Leistungsvergleich Version 3 (s. Kap. 05314) |
• | Modelle im Energiemanagement mit dem Tool zum Leistungsvergleich Version 2.2.3 (s. Kap. 05312) |
• | Arbeitshilfe Leistungsbewertung – Erläuterungen (s. Kap. 05313) |
• | Regression mit Excel (s. Kap. 05306) |
• | Die energetische Bewertung – das Herzstück des Energiemanagements (mit Prozessanweisung Energieplanung) (s. Kap. 05301) |
• | Klimatische Bereinigung der Energieverbräuche durch geeignete Modellierung (ein weltweiter Ansatz) (s. Kap. 07008) |
Dieser Beitrag ordnet die bisherigen Beiträge aus dem Blickwinkel der neuen DIN EN ISO 50006 ein, und zeigt auch Lösungen, die bisher im Werk noch nicht publiziert sind.
2 DIN EN ISO 50006:2025 – ein Überblick
Bei dieser Norm handelt es sich um die deutsche Übersetzung der ISO 50006 aus dem Jahr 2023. Im Vergleich zur Vorgängerversion aus dem Jahr 2014 (bzw. 2017 in deutscher Version) gibt es folgende wesentliche Änderungen:
• | Harmonisierung von Konzepten und technischen Aspekten mit der ISO 50001:2018 |
• | Aktualisierung der Begriffe in Abschnitt 3 in Übereinstimmung mit der ISO 50001:2018 |
• | Verbesserungen bzgl. Normalisierung von EnPIs and EnBs |
• | Anpassungen und neue Ansätze im Zusammenhang mit der Definition und Anforderung, eine Verbesserung der energiebezogenen Leistung nachzuweisen. |
Im Folgenden werden entlang der Normstruktur interessante, insbesondere neue Aspekte vorgestellt. Wenn nicht explizit als Zitat ausgewiesen, sind die Inhalte sinngemäß wiedergegeben.
2.1 Anwendungsbereich
Diese Norm möchte allen Organisationen, auch solchen, die ISO 50001 nicht anwenden, eine Anleitung bieten, damit sie Energieleistungskennzahlen (EnPIs) und energetische Ausgangsbasen (EnBs) für die Bewertung der energiebezogenen Leistung (ebL) erstellen, anwenden und anpassen können, um damit die ebL zu messen, zu überwachen und Verbesserungen nachzuweisen.
2.3.1 Begriffe
Bis auf wenige Ausnahmen finden sich die Begriffe auch in der ISO 50001. Einige Begriffe wurden minimal modifiziert oder in den Anmerkungen erweitert. Hier aufgeführt sei der Begriff:
„Energiemodell (3.1.8): auf einen Datensatz basierende mathematische Darstellung, die die Beziehung zwischen relevanten Variablen und Energieverbrauch oder Energieeffizienz über einen festgelegten Zeitraum beschreibt.
Anmerkung: Der festgelegte Zeitraum kann verschiedene zeitliche Perspektiven bedeuten, z. B. einen Bezugszeitraum, einen Berichtszeitraum oder einen Zeitraum, der Standardbedingungen abbildet”.
In vielen Fällen wird ein Modell für den Bezugszeitraum erstellt (Forecasting). Die Beispiele in der Norm sind von dieser Kategorie. Es gibt jedoch auch die Möglichkeit, ein Modell für den Berichtszeitraum zu erstellen (Backcasting). Sogar Modelle in Zwischenzeiträumen sind denkbar. In diesem Fall würde man bei einem Vergleich von Berichtszeitraum und Bezugszeitraum beide Methoden kombinieren, sog. „chaining” (s. Kap. 05314, Abschn. 2.4 „Zusammenfassung der Normierungsmethoden” in Anlehnung an Publikationen des US DoE).
2.3.2 Abkürzungen
Neben den bekannten Abkürzungen wie EnPI, EnB, EnMS, SEU gibt es auch einige weniger bekannte wie
• | HGT: Heizgradtage (en. HDD, heating degree days) |
• | KGT: Kühlgradtage (en. CDD, cooling degree days) |
• | CUSUM: kumulative Summe (en. cumulative sum) |
• | SEC: spezifischer Energieverbrauch (en. specific energy consumption), hier hat man interessanterweise die englische Abkürzung beibehalten. |
2.4 Überblick zu EnPIs, EnBs und energiebezogener Leistung
Dieser Abschnitt und die Abbildung 1 illustrieren den Zusammenhang zwischen der Verbesserung der energiebezogenen Leistung, EnPIs, EnBs, EnPI-Werten und Energiezielen. Die ebL verbessert sich, wenn sich der EnPI-Wert im Berichtszeitraum im Vergleich zur EnB (= EnPI-Wert für den Baseline-Zeitraum) verringert, unabhängig davon, ob das Energieziel erreicht wird oder nicht.
Energieziele werden von der Organisation definiert und können auch auf identifizierten und geplanten Maßnahmen zur Verbesserung der energiebezogenen Leistung beruhen.
Abb. 1: Visualisierung der Beziehung zwischen ebL, EnPI, EnB, EnPI-Werten und Energiezielen. Ergänzend zur Norm sind im oberen Teil des Bildes noch Fehlerbalken eingezeichnet. Die Begriffe wurden leicht verändert, um konsistent mit den Begriffen in den Tools (s. u.) zu sein. (Abbildung in Anlehnung an Bild 1 der DIN EN ISO 50006:2025)
Die folgenden Abschnitte 2.5 bis 2.10 beschreiben die Einzelheiten. Anhang A der Norm zeigt die Zusammenhänge in einem Flussdiagramm.
2.5.1 Ausgangsinformationen über die energiebezogene Leistung
Die benötigten Informationen inkl. der SEUs werden durch die energetische Bewertung nach Abschnitt 6.3 der ISO 50001:2018 ermittelt (s. Kap. 05301). Für jeden SEU müssen die relevanten Variablen (sofern vorhanden) und die aktuelle ebL bestimmt werden (6.3c). Allein um diese Anforderung zu erfüllen, ist es notwendig, geeignete EnPIs festzulegen und anzuwenden.
2.5.2 Bestimmung der Nutzer von Energieleistungskennzahlen
EnPIs sollten so entwickelt werden, dass sie den Bedürfnissen und Erwartungen verschiedener Nutzer gerecht werden und leicht verständlich sind. Beispiele für Nutzer sind: Topmanagement, EnM-Team, Betriebsleitung, Facility-Management, Betriebs- und Instandhaltungspersonal, Ingenieure, externe Nutzer und EnPI-Owner.
Anmerkung
Interessant ist die Anmerkung, dass EnPIs und EnBs, die für externe Zwecke wie z. B. für gesetzliche Berichtspflichten erforderlich sind, nicht immer ausreichend sind für das Management der Verbesserung der energiebezogenen Leistung gemäß ISO 50001 oder für Organisationen, die ihre tatsächliche Verbesserung der energiebezogenen Leistung verstehen wollen.
Interessant ist die Anmerkung, dass EnPIs und EnBs, die für externe Zwecke wie z. B. für gesetzliche Berichtspflichten erforderlich sind, nicht immer ausreichend sind für das Management der Verbesserung der energiebezogenen Leistung gemäß ISO 50001 oder für Organisationen, die ihre tatsächliche Verbesserung der energiebezogenen Leistung verstehen wollen.
Beispielsweise werden manchmal einfache spezifische EnPIs (SEC) gefordert, die jedoch aufgrund signifikanter Grundlasten zu verzerrten Ergebnissen führen, oder gar keine Korrelationen zu den eingesetzten Variablen aufzeigen.